05. Juni 2023

«Als Traumdoktorin wurde ich zu der Erwachsenen, die ich als Kind gern getroffen hätte»

1995 tauschte Nathalie Dubath ihre Tanzschuhe gegen einen ganz besonderen Arztkittel ein. Ein Interview über ihre 28 Jahre Tätigkeit als Traumdoktorin Méli Mélo.

Nathalie, du arbeitest seit bald 30 Jahren für die Stiftung Theodora. Wie bist du auf die Stiftung gekommen?
Beim Lesen eines Artikels ist mir die Stiftung Theodora zum ersten Mal aufgefallen. Ich war sofort interessiert, denn sie vereinte alles, was ich gern machte. Zu jener Zeit gab ich Tanzkurse in einem Freizeitzentrum in Lausanne. Zuerst nahm ich an einem Kurs teil, der von Traumdoktor Bobo geleitet wurde. Dann rief er mich eine Woche später an, um mir zu sagen, dass er jemanden für die Besuche im Waadtländer Universitätsspital (CHUV) brauche. So hat alles angefangen. 

Wie sahen die Besuche der Traumdoktoren am Anfang aus?
Als ich im CHUV anfing, gab es nur den Doktor Distinov und mich. Da wir jede Woche dort waren, konnten wir besondere Beziehungen zu den Kindern aufbauen, insbesondere zu denjenigen, die über eine lange Zeit im Spital waren. Ich erinnere mich vor allem an ein Kind, das im Koma war und das wir bis zum Aufwachen begleiten konnten. Das war ein berührendes und einzigartiges Erlebnis.

Wie wurdet ihr zu Beginn vom medizinischen Fachpersonal wahrgenommen?
Sie beobachteten uns mit viel Neugier und im Allgemeinen auch mit einer offenen Einstellung. Wir mussten lernen, mit ihnen zusammenzuarbeiten – für die Kinder, aber auch, damit das Personal ebenfalls von unserer Anwesenheit profitieren konnte. Natürlich gab es manchmal auch etwas zurückhaltendere, neutrale oder gar ein wenig misstrauische Reaktionen. Dazu muss man sagen, dass unsere bunten Kittel und unser Ansatz im krassen Widerspruch zum neutralen und kalten Erscheinungsbild der Kinderstationen 1995 tauschte Nathalie Dubath ihre Tanzschuhe gegen einen ganz besonderen Arztkittel ein. Ein Interview über ihre 28 Jahre Tätigkeit als Traumdoktorin Méli Mélo.von damals standen. Das ist heute überhaupt nicht mehr der Fall.

Was bedeutet die Traumdoktor-Figur für dich?
Eine Figur der Freiheit und der Fantasie, kreative Freiheit in einem schwierigen Umfeld. Auch nach all den Jahren finde ich das immer noch wundervoll. Als Traumdoktorin wurde ich zu der Erwachsenen, die ich als Kind gern getroffen hätte.

Und weshalb Méli Mélo?
Weil es gut zu mir passt. Ich bin jemand, der in alle Richtungen geht, ich muss mein Leben aufräumen (lacht). Ich bin mit meiner damals 5-jährigen Tochter auf diesen Namen gekommen. Wir lieben es seit jeher, mit Wörtern zu spielen.

Rêves d'urgence
Die Traumdoktorin Méli Mélo im Rahmen des Programms «Traum im Notfall» im CHUV (2023)

Inwiefern hat sich deine Aktivität als Traumdoktorin seit deinen Anfängen verändert?
Die neuen Programme «Operation Traum» oder «Traum im Notfall» ermöglichen eine noch stärkere Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal und eine unmittelbare und konkrete Unterstützung für die kleinen Patientinnen und Patienten.

Und welche Ähnlichkeiten oder Unterschiede bestehen zwischen den Kindern von 1995 und 2023?
Ein Kind lacht immer gern und mag es, wenn man ihm Interesse schenkt – dieFreude der Kinder ist universell. Das hat sich nicht wirklich verändert. Allerdings ist das Umfeld überhaupt nichtmehr dasselbe. Die Eltern sind viel informierter, aber gleichzeitig auch viel ängstlicher. Wir versuchen, auch ihnen Entspannung zu verschaffen.

Gibt es Anekdoten, die dich besonders geprägt haben während den vergangenen 30 Jahren, die du an den Krankenbetten der Kinder im Spital verbracht hast?
In aller Offenheit, jede Begegnung ist einzigartig, jedes Kind, das dir vertraut, ist ein Geschenk. Was mich besonders berührt, ist, wenn Menschen mich auf der Strasse oder im Zug ansprechen, um mir 10 bis 20 Jahre später zu sagen, wie sehr sie die Besuche der Doktorin Méli Mélo geschätzt haben, dass sie meine Postkarte aufbewahrt haben usw. Das ist einfach verrückt und sehr bewegend.

Mit welchen drei Wörtern würdest du die Stiftung Theodora beschreiben?
Liebe, Begegnung und Freude.

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