04. Oktober 2024

Heart icon «Der Kittel ist der letzte Schliff an der Figur»

Alle Traumdoktoren tragen einen bunten, lustigen und personalisierten Kittel. Hinter jedem dieser einzigartigen Kostüme verstecken sich die geschickten Hände und kreativen Ideen von Lydia Pfister und ihrem Team. Seit 30 Jahren ist Lydia Pfister Schneiderin für die Stiftung Theodora und verwandelt Stoffe in echte Kunstwerke. Erfahren Sie im Interview mehr über die Geheimnisse der Entstehung der wunderschönen Traumdoktorkittel.

Lydia, wie bist du Schneiderin für die Stiftung Theodora geworden?

Früher wollte ich ehrenamtlich tätig sein oder ein bisschen Geld an eine Stiftung spenden. Ich habe einen Zeitungsartikel über die Stiftung Theodora gelesen und fand das Projekt fantastisch. Also bin ich mit André Poulie und seiner Stiftung in Kontakt getreten. Da ich als Stylistin arbeitete, bat mich André, einen Hut für einen Künstler zu machen. Und so fertigte ich mein erstes Kleidungsstück an: eine Ballonmütze mit einer kleinen Handpuppe drin für Dr. Isidore.

Wie sieht der Entstehungsprozess eines Traumdoktorkittels aus?

Der Entstehungsprozess beginnt mit der Auslieferung der Übungskittel an die zukünftigen Traumdoktoren. Im ersten Ausbildungsmodul stellen wir diese Kittel den Künstlerinnen und Künstlern zur Verfügung, damit sie ihre ersten Erfahrungen im Spital sammeln können. Es gibt also bereits eine erste kleine Präsentation des Kittels, insbesondere in Bezug auf seine Hygiene. Im zweiten Modul präsentieren wir ihnen den Kittel dann umfassend, damit sie sich erste Gedanken zu ihrer eigenen Figur machen und ihre Kleidung ein wenig einbeziehen können. Ich gebe ihnen alle notwendigen Informationen zur Grundbeschaffenheit des Theodora-Kittels, der in allen Ländern gleich aussieht: oranges Herz, orange Knöpfe und ein Aufnäher mit dem Theodora-Logo.
Die dritte Etappe erfolgt im Atelier, wo der Kittel gemeinsam angefertigt wird. In der Regel kommen die Künstlerinnen und Künstler mit vielen Ideen hierher und meine Aufgabe ist es dann, ihnen Möglichkeiten zur Umsetzung aufzuzeigen. Ich mache Skizzen und im Anschluss bestimmen wir die Motive, die auf den Kittel kommen. Nach meiner kreativen Arbeit übernehmen dann meine Schneiderinnen. Jeder Kittel erfordert mindestens 15 Arbeitsstunden.

Es ist immer bewegend, den Kittel zum ersten Mal an einem Künstler zu sehen.

Wie viele Kittel haben du und dein Team angefertigt?

Ich habe eine kleine Rechnung gemacht und komme auf 420 verschiedene Zeichnungen und Motive. In all den Jahren haben wir rund 1250 Kittel genäht. Jeder Künstler erhält zwei Kittel und nach einigen Dienstjahren kann er die Motive ändern, was das Anfertigen neuer Kittel erfordert.

In all den Jahren haben wir rund 1250 Kittel genäht.

Mit welchen Herausforderungen bist du und dein Team am häufigsten konfrontiert?

Die grösste Herausforderung besteht darin, die Ideen der Künstlerinnen und Künstler umzusetzen und ihnen einen Kittel zu liefern, der ihren Erwartungen entspricht. Eine weitere grosse Herausforderung ist, den Kittel so zu gestalten, dass er bei den Kindern eine Reaktion hervorruft, wenn sie die Traumdoktoren mit ihren Kostümen sehen.

Hast du eine Anekdote zur Anfertigung eines Kittels?

Dr. Méli Mélo kam mit Zeichnungen ihres Kindes, die wir auf ihrem Kittel reproduzierten. Das war sehr poetisch und wunderschön. Für Dr. Couette haben wir ein kleines Kissen genäht. Bei ihren Besuchen kann sie es aus dem Kittel holen und es den Müttern geben, damit sie sich einen kleinen Moment ausruhen können.

Was ist dein Lieblingsmoment beim Anfertigen eines Kittels?

Die erste Skizze! Diesen Moment mag ich wirklich besonders. Ich liebe es, mir die Reaktionen der Kinder auszumalen und zu versuchen, durch ihre Augen zu sehen.

Was war die ungewöhnlichste Anfrage, die du je erhalten hast?

Einmal bat mich Dr. Zazou, auf seinem Rücken einen Theatervorhang anzubringen, den man mit dünnen Schnüren öffnen konnte. Ich glaube, das war einer der verrücktesten Kittel. Es gab noch einen anderen: Einmal haben wir tatsächlich ein dreidimensionales Vogelnest auf der Schulter angebracht. Im Endeffekt ist nichts verrückt, denn wir schaffen alles. Wir finden immer eine Lösung. Die Schneiderinnen sagten einmal zu mir: «Du lässt uns manchmal etwas spezielle Sachen machen, aber wir schaffen es jedes Mal.»

Wie hat sich der Traumdoktorkittel in den vergangenen 30 Jahren verändert?

Vor 30 Jahren gestaltete man den Kittel oft mit Motiven, die man gern mochte. Über die Jahre haben die Künstlerinnen und Künstler ihre eigene Figur erschaffen. So erscheinen sie nun als vollständige Figur: von der Kleidung, die sie darunter tragen, bis zu den Motiven auf dem Kittel. Alles ist wichtig: die Kleidung, der Hut, die Schminke.

Wie reagieren die Kinder, wenn sie die Kittel sehen?

Die Künstlerinnen und Künstler erzählen uns von Zeit zu Zeit Anekdoten. Beispielsweise wusste Dr. Bidule nie, wo er seine Accessoires im Kittel unterbringen sollte. Also haben wir ihm ganz viele kleine Taschen genäht mit den Motiven der Gegenstände, die er darin verstauen würde. Hatte er also einen kleinen Stift, dann machten wir einen kleinen Stift auf die Tasche. Oder er bekam eine kleine Tasche mit einer Brille darauf, um seine Brille darin zu verstauen. Und so fand er seine Gegenstände jeweils wieder. Und er lachte viel mit den Kindern, weil daraus so schöne Interaktionen entstanden.

Was geht in dir vor, wenn du den Kittel zum ersten Mal an einer Person siehst?

Es ist immer bewegend, den Kittel zum ersten Mal an einem Künstler oder einer Künstlerin zu sehen. Der Kittel ist der letzte Schliff an der Figur.

Gibt es einen Kittel, auf den du besonders stolz bist?

Nur einen? Das ist nicht möglich… Der letzte Kittel ist immer der schönste. Wir sagen immer: «Ah, dieser hier ist der Schönste.» Ob ganz einfach oder sehr anspruchsvoll – wir geniessen es immer, einen Kittel fertigzustellen. Manchmal fällt es mir schwer, meine Kittel abzuliefern, und ich würde sie gern noch ein wenig länger behalten.

Ich liebe es, mir die Reaktionen der Kinder auszumalen.

Hast du eine besondere Erinnerung aus deiner Zeit bei der Stiftung?

Das Seminar im Jahr 2013 zum 20-Jahr-Jubiläum der Stiftung war ein prägender Moment. Ungefähr 200 Traumdoktoren liefen in voller Montur auf dem Bundesplatz auf. Wir sahen 200 Kittel auf einmal, das war verrückt!

Was bedeutet die Stiftung für dich?

Irgendwie ist sie ein bisschen mein Leben. Es ist fantastisch, in Gedanken bei den Kindern im Spital zu sein und ihnen Momente der Erleichterung schenken zu können. Im Namen aller dieser Kinder ein grosses Dankeschön an die Stiftung.

Zum Video des Interviews:

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