30. September 2014

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Ein Wiedersehen mit guten Geistern
Das Spitalzimmer wird zum Fussballplatz.

Ramón Blank sitzt im Kino Maxx in Luzern. Der Film hat noch nicht begonnen, es laufen Werbespots. Als auf der Leinwand ein Clown mit buntem Arztkittel am Bett eines jungen Mädchens Gitarre spielt, schlägt Ramóns Herz schneller. Verschwommene Bilder tauchen im Kopf des 17-Jährigen auf: ein Mann mit roter Nase, ebenfalls im Arztkittel, der bunte Luftballonschlangen zu Tieren dreht. Die Erinnerung stammt aus längst vergangenen Zeiten. Die drei Wochen, die Ramón als Vierjähriger im Berner Inselspital verbringen musste, liegen dreizehn Jahre zurück. Im Frühling 2001 hörte der Arzt unregelmässige Herzschläge im Brustkorb des Jungen. Die sofortige Abklärung ergab, dass der Junge ein Loch im Herzen hatte und operiert werden musste. Danach versüsste ihm dieser Spitalclown das Leben im stillen Spitalalltag. Als Ramón nach dem Kinofilm wieder zu Hause ist, googelt er nach den Spitalclowns und schreibt spontan der Stiftung Theodora eine E-Mail: Die Spitalclowns hätten ihm damals so gut getan, nun würde er gern etwas zurückgeben. Ob es dazu eine Möglichkeit gäbe?
Jetzt steht Ramón aufgeregt am Empfang der Kinderklinik des Berner Inselspitals. Sein Mail trug Früchte, die Stiftung Theodora hat Ramón eingeladen, mit zwei Spitalclowns auf eine Besuchstour zu gehen, um sich für eine eigene Charity-Aktion vorzubereiten. Als die Lifttüre aufgeht und die Theodora-Artisten mit ihrer schillernden Ärztekleidung herausspazieren, grinst er breit. Jener mit dem Panamahut und dem Mini-Fussballtor auf dem Hutrand kommt ihm vertraut vor: Dr. Hatschi. Dieser geht auf Ramón zu und schüttelt ihm überschwänglich die Hand. «So cool dass ich dich wieder sehe, geht’s gut?» Ramón nickt, vor Rührung bringt er kein Wort heraus. Jetzt stellt sich auch Dr. Gili Gili vor. Sie, Dr. Hatschi und Ramón werden gleich zusammen losziehen, um Kinder in der Chirurgie-Abteilung zu besuchen.
 
‹Dr. Ramón› schiesst Tore gegen Huhn Belle
Zuerst wird Ramón mit einer kleinen Geste in die Welt der Spitalclowns aufgenommen: Dr. Hatschi überreicht ihm feierlich eine rote Schaumstoffnase. Ramón setzte sie sich sofort auf, dann machen sie sich auf zur Pflegestation. Wie üblich werden die Artisten dort über den Gesundheitszustand der jungen Patienten informiert. Als Dr. Hatschi, Dr. Gili Gili und ‚Assistent Dr. Ramón‘ das erste Zimmer aufsuchen, wartet hinter der Türe erwartungsvoll lächelnd Liam, der vor fünf Tagen operiert worden ist und noch im Rollstuhl sitzen muss, um sich zu schonen. Dr. Hatschi stellt Ramón vor: «Wir haben einen Star mitgebracht. Er war wie du vor vielen Jahren im Spital. Er hilft uns heute bei unseren Besuchen.»
Gemeinsam bastelt das Trio aus Ballons einen rosaroten Panther, Ramón zaubert unter der heimlichen Anleitung von Dr. Hatschi aus einem Bällchen zwei und darf schliesslich Dr. Hatschis heiliges Huhn halten: Belle, aus Ballons gefertigt, begleitet ihn schon seit sieben Jahren. Sie ist seine wichtigste Requisite. Jetzt — Dr. Hatschi ist immer noch im Fussball-WM-Fieber — muss Belle als Torwart fungieren, während Liam mit einem Schaumstoffball aufs Goal zielt. Die Stimmung ist ausgelassen, Ramón assistiert mit gebührendem Ernst, doch zwischendrin kann er sich das Kichern nicht verkneifen. 
 
Prägend – auch für die Berufswahl
Als die drei wieder im Flur stehen, sagt er begeistert: «Das ist so eine tolle Sache!» Und fügt nach einem Moment des Nachdenkens an: «Ich denke, dass eure Besuche mitverantwortlich dafür sind, dass ich heute eine Ausbildung zum Fachmann Gesundheit mache. Während andere mit mulmigem Gefühl die Spitalwelt betreten, faszinierte sie mich immer.» Am liebsten wäre ihm, die Theodora-Artisten würden auch in seinem Lehrspital zu Besuch kommen, doch dort gibt es keine Kinderabteilung. Für Ramón steht fest: «Die Spitalclowns machen die weisse Spitalwelt bunt.» Dr. Hatschi nickt. Er sagt: «Heute gehören wir selbstverständlich dazu. Als du klein warst, waren wir mit weniger Leuten unterwegs und waren ein Novum. Doch inzwischen können wir auf viele Menschen zählen, die uns unterstützen. Deshalb sind wir in vielen Spitälern unterwegs und die meisten Kinder und Eltern wissen, dass sich im Spital regelmässig ein unkonventionelles Personal um sie kümmert.» Auch das ‚normale‘ Pflegepersonal nehme die Spitalclowns ernst, die Zusammenarbeit sei selbstverständlich und professionell geworden. «Und ich finde es schön, dass ich nach siebzehn Jahren meine Erfahrungen an jüngere Spitalclowns weitergeben darf.»
 
Es geht zum nächsten Kind. Ein Mädchen, das beide Arme im Verband trägt, wartet mit seiner Grossmutter und zwei Geschwistern auf dem Bett. Huhn Belle muss dringend ein Ei legen und sucht sich dazu die Hand des Mädchen aus. Ramón, der von Dr. Hatschi heimlich ein Mini-Küken zugesteckt bekam, lässt das Küken ‚schlüpfen‘. Während die Spitalclows mit grossen Augen das Küken bewundern, brechen das Mädchen und seine Familie in Gelächter aus. Zur Feier des Tages stimmt Dr. Gili Gili ein Gacker-Lied auf der Gitarre an. Als sie winkend zur Tür hinausgeht, lässt sich Ramón im Korridor auf einen Stuhl fallen und prustet los. «Oh Mann, das ist so wunderbar verrückt. Ich freue mich so, dass ich das nochmals erleben darf.»

Text: Anouk Holthuizen
Fotos: Daniel Rihs

Dr. Hatschi

Die Stiftung Theodora war gerade mal zwei Jahre jung, als Rolf Jaisli, alias Dr. Hatschi, dort als Spitalclown einstieg – das ist nunmehr siebzehn Jahre her. Der Vater dreier erwachsener Kinder verzaubert Kinder im Berner Inselspital, im UKBB in Basel sowie im Z.E.N. der Stiftung Wildermeth Biel. Wie alle Clowns hat er charakteristische Requisiten. Seine ist Belle, das Ballonhuhn.

 

 

 

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