10. März 2022
Ein Tag im Leben von Rosa und Dr. Rösli Chöl

Wie sieht die Morgenroutine von Dr. Rösli Chöl aus? Und welche Gedanken gehen einer Traumdoktorin durch den Kopf, wenn sie ein Spitalzimmer betritt? Wir haben bei der Künstlerin lnes Rosa Blarer und ihrer Traumdoktor-Figur Dr. Rösli Chöl hinter die Kulissen geschaut.
Es ist frühmorgens. Dr. Rösli Chöl liegt schnarchend im Bett, da streicht etwas Nasses, Pelziges über ihre Wange. Kater Frankie findet: Es ist Zeit, aufzustehen! Mit Schwung hebt Rösli Chöl das linke Bein zuerst aus dem Bett – das bringt Glück – dreht 13 Pirouetten, öffnet das Fenster und begrüsst die Welt mit einem Jodellied. Ihre Kuh, ihre Ziege, ihr Huhn Goldie und sogar der Hirsch winken ihr zu.
Mit Schwung dreht Rösli Chöl 13 Pirouetten, öffnet das Fenster und begrüsst die Welt mit einem Jodellied.
Mit einer grossen, geblümten Tasse Tee geht die muntere Rösli Chöl in den Garten, füttert die Tiere, giesst die Pflanzen und plaudert mit allen. Sie sprechen wild durcheinander – es ist ein wahres Fest! Frankie erinnert sie schliesslich daran, dass es Zeit ist, sich auf den Weg zu den Kindern zu machen. Auf ihrem grasgrünen, mit Rosen verzierten Fahrrad strampelt sie zum Spital. Für das Mittagessen bleibt keine Zeit. Schlimm ist das nicht: Denn sobald Rösli Chöl das Lachen und die Herzlichkeit der vielen lieben, mutigen und starken Kinder sieht, ist ihr Hunger wie weggeblasen.
Rosa wird wach
Etwas anders sieht die Morgenroutine von Ines Rosa Blarer aus, der gelernten Bewegungsschauspielerin und Aktivierungsfachfrau. Seit drei Jahren besucht sie als Traumdoktorin Rösli Chöl die Klinik für Kinder und Jugendliche im Kantonsspital Aarau. «Wenn ich auf Kinderbesuch gehe, nehme ich mir an dem Tag mehr Zeit zum Aufstehen. Es ist mir ein Anliegen, wirklich wach zu sein.»
Nach einer ausgiebigen Dusche, einer Meditation oder auch mal einem Wohnzimmertanz fährt sie mit dem Zug nach Aarau. Ines Rosa trifft sich im Spital mit den anderen Theodora-Künstlerinnen und Künstlern, die an diesem Tag im Einsatz sind, zum Mittagessen. Gegenseitig stimmen sie sich auf die Besuche ein, tauschen Ideen oder aktuelle Bedürfnisse aus.


Wie Rosa zu Rösli wird
In der Garderobe findet der Wechsel statt: Alltagskleidung ausziehen, grüne Leggins, Rock mit Tüll und rosenverzierte Schürze anziehen. Nicht zu vergessen – der Traumdoktor-Kittel mit einem schicken Hirschgeweih. Jetzt noch ein paar Rosen in die Haare und auf die Maske – fertig! Schicht für Schicht verwandelt sich Rosa in Rösli. «Das Kostüm macht viel mit mir. Ein grosser Teil bin immer noch ich, Ines Rosa. Doch abschliessend mit dem Traumdoktor-Kittel fühle ich mich wie Dr. Rösli Chöl.»


Die Kitteltaschen füllt Rösli Chöl jetzt über und über mit Überraschungen und praktischen Hilfsmitteln. Seifenblasen, ein keckes «Chüehli» aus Holz, ein quietschender Salzstreuer und eine Kuhglocke, die beispielsweise beim Jodeln zum Einsatz kommt, gehören zu den Klassikern. Ein Messband hilft dabei, allerhand Untersuchungen anzustellen: Die Zeit kann man damit beispielsweise messen. Das hilft, herauszufinden, wie lange man noch im Zimmer bleiben darf. Oder wie alt das Kind ist.



Vielfältige Atmosphären und Improvisationskunst
Auf der Kinderstation angekommen, erhält das Künstler-Team grundlegende Informationen zu den Patienten, die an diesem Tag vor Ort sind. Und dann kann die Tour losgehen! Manchmal zusammen, manchmal alleine betreten die Traumdoktoren die Spitalzimmer der Kinder. Wie fühlt sich das an? «Es ist immer wieder anders. Wir wissen nie, was uns erwartet, haben keine Kontrolle. Ich mag diese Ungewissheit. Alles ist möglich. Man muss jedoch auch total präsent sein, sonst geht es nicht. Routine ist der Koller.»

Die Atmosphäre in einem Raum wird von verschiedensten Faktoren beeinflusst, wie der Stimmung der Traumdoktoren, derjenigen des Kindes, der Eltern und Geschwister, des Personals sowie auch vom Wetter und der Tageszeit. Für Dr. Rösli Chöl gilt es jetzt, sich anzupassen. Mit viel Fingerspitzengefühl und Improvisationstalent geht die Traumdoktorin auf das Kind und seine aktuellen Bedürfnisse ein. Meistens kennen sich Rösli und das Kind noch nicht – zum Glück. Denn hier im Kantonsspital Aarau bleiben die meisten Kinder nicht länger als eine Woche.
Als Eisbrecher kommt manchmal einer der kleinen Helfer zum Einsatz, der sich in Dr. Rösli Chöls Kittel versteckt. Ines Rosa sagt jedoch: «Mir ist die Interaktion wichtiger als Requisiten. Ich spiele auch gerne mit dem, was im Zimmer ist.» Das kann zum Beispiel ein Vorhang sein, mit dessen Hilfe sie sich als Geist verkleidet. Oder die Fernbedienung vom Bett, die zu einem Handy wird. ‘Versteckis’ spielen lässt sich auch wunderbar; oder die Türe verwechseln: «Wenn ich mich verabschiede, öffne ich manchmal die Kleiderschranktüre anstatt die Zimmertüre. Oder auch die WC-Türe.»
Unsere Aufgabe ist es, Leichtigkeit in den Alltag der kleinen Patienten zu bringen.
Ines Rosa Blarer alias Dr. Rösli Chöl

Zurück in den Alltag
Und was, wenn einem ein Erlebnis sehr nahe ans Herz geht? «Klar gibt es auch traurige Momente. Vorher und Nachher gehen mir oft Gedanken um das Kind durch den Kopf. Im Moment muss ich das aber ausblenden. Unsere Aufgabe ist es, Leichtigkeit in den Alltag der kleinen Patienten zu bringen.» Und wenn die Künstlerinnen und Künstler doch etwas belastet, hilft der Austausch unter den Traumdoktor-Kollegen, die von der der Stiftung Theodora zur Verfügung gestellte Supervision oder auch das Gespräch mit dem Pflegefachpersonal.
Nach den Besuchen gehen die Künstler manchmal in den Umkleidekabinen nochmals die einzelnen Zimmer durch und besprechen, wer was erlebt hat. Sie lassen den Nachmittag Revue passieren. So kehrt Ines Rosa mit dem Abschminken, Umziehen und Desinfizieren langsam wieder in ihren Alltag zurück. Und fährt dann wieder mit dem Zug von Aarau nach Zürich.

Und Rösli Chöl? Sie fährt jeweils – beschwingt vom Lachen der Kinder – auf dem Fahrrad nach Hause. Schon von Weitem winken ihr die Tiere zu. Nach einem grossen Hallo isst sie erst einmal eine deftige Schüssel Röslichöl-Brei.
- Seit 3 Jahren ist Ines Rosa Blarer als Dr. Rösli Chöl in der Klinik für Kinder und Jugendliche im Kantonsspital Aarau unterwegs.
- 3 Traumdoktoren sorgen hier jeden Mittwoch für lachende Gesichter.
- Seit Januar 2022 ist Ines Rosa als «Frau Traum» auch in der Kinder-Reha Schweiz in Affoltern am Albis unterwegs.
Text: Patrizia Brosi | Bilder: Eliane Dürst, Matthias Jurt, Damian Seiler